Tiergestรผtzte Therapie ist eine bewรคhrte und sehr erfolgreiche Methode, Menschen mit psychischen Stรถrungen oder Beeintrรคchtigungen zu helfen. Den meisten fallen dabei zu recht als erstes Therapie- oder Begleithunde ein, dann das bekannte „Delfinschwimmen“ und auch die Hippo-Therapie, also Therapieansรคtze mit Pferden. Alle diese Therapieformen sind bewรคhrt und entsprechend auch bekannt.
Aber es geht auch „kleiner“: Ist Dir schon einmal aufgefallen, dass in vielen Arztpraxen Aquarien stehen? Oder wusstest Du, dass in der tiergestรผtzten Therapie auch Bartagamen, Schnecken oder Stabschrecken eingesetzt werden?
Fische entspannen messbar
In vielen Arztpraxen stehen Aquarien — sind รrzte etwa alle begeisterte Aquarianer? Vermutlich nicht. Vielmehr ist durch Studien belegt, dass der Anblick von Fischen in einem Aquarium den Menschen spรผrbar „entstresst“:
The team found that viewing aquarium displays led to noticeable reductions in blood pressure and heart rate, and that higher numbers of fish helped to hold peopleโs attention for longer and improve their moods.
รbersetzung: Das Team fand heraus, dass das Betrachten von Aquarien zu einer messbaren Reduktion des Blutdrucks und der Herzfrequenz fรผhrte und dass ein Besatz mit mehr Fischen half, die Aufmerksamkeit der Betrachter lรคnger zu halten und ihre Stimmung zu verbessern.
University of Exeter, https://news-archive.exeter.ac.uk/featurednews/title_463208_en.html
Fรผr die Untersuchung wurden Menschen beobachtet, die das riesigen 550 000 Liter Aquarium im National Marine Aquarium in Plymouth betrachteten — zunรคchst ohne Fischbesatz, dann mit zunehmendem Fischbesatz. Und schlieรlich wurden auch Blutdruck und Herzfrequenz wรคhrend des Betrachtens der Fische รผberwacht.
Aber fรผr einen beruhigenden und ausgleichenden Effekt braucht es gar keine 500 000 Liter: Selbst Nanobecken mit einigen Garnelen darin vermรถgen es, seine Betrachter zu binden und dieselbe positiven Wirkungen zu entfachen, wie jeder Aquarianer aus eigener Erfahrung wird bestรคtigen kรถnnen.
รber den beruhigenden Ansatz hinaus, gibt es auch Hinweise darauf, dass das Beobachten von Aquarienfischen Schlaganfall-Patient*innen helfen kann. Demnach unterstรผtzt das Betrachten der Bewegungen der Fische sowie weiterer sensorischer Reize (Blubbern des Wassers, Geruch/Wรคrme des Aquariums) die Wiederverknรผpfung von beschรคdigten Nervenverbindungen im Gehirn.
Fische helfen bei der Forschung zur Posttraumatischen Belastungsstรถrung
Fische helfen aber auch andere Weise — nรคmlich als „Stellvertreter des Menschen“ in der Stressforschung. Heute weiร man, dass durch enormen Stress ausgelรถste Belastungen sich von einer Generation auf die nรคchste รผbertrรคgt. Kriegstraumata werden so beispielsweise von den Mรผttern auf ihre Kinder auch auf genetischer Ebene รผbertragen. Das Stichwort dazu ist „Epigenetik“ — Modifikationen an der Erbsubstanz, die wรคhrend des individuellen Lebens auftreten und dann vererbt werden.
Zur Erforschung dieser Mechanismen werden u.a. Zahnkรคrpflinge verwendet: Diese werden mittels Rรคuber-Attrappen gezielt gestresst und spรคter sie selbst sowie ihre Nachkommen genetisch untersucht. Spannend, oder:
Bartagamen, Schnecken und Insekten helfen verschlossenen oder hyperaktiven Kindern
Neben Fischen kรถnnen aber auch andere Tiere beruhigend — oder aber auch „รถffnend“ helfen. So finden gerade in der Arbeit mit Kindern auch Tiere ihren Einsatz, die man sich bislang vielleicht eher nicht als „Therapeuten“ vorgestellt hรคtte.
Ein Beispiel sind Bartagamen. Bartagamen werden oft als drollig empfunden und vermรถgen es sehr gut, die Aufmerksamkeit von (nicht nur) Kindern zu fesseln. Gleichzeitig fordern sie von diesen aber auch einiges ein: Die Kinder mรผssen zur Ruhe kommen und sich auch entsprechend konzentrieren. Dafรผr sehen sie eine sofortige Belohnung dieser gerade fรผr psychisch beeintrรคchtigte Kinder herausfordernden Anstrengung, wenn die Bartagamen sich nรคhern und im besten Fall sogar auf die Hรคnde der Kinder klettern.
Dieser interessante Artikel erlรคutert die Arbeit mit Bartagamen in der tiergestรผtzten Intervention mit massiv verhaltensauffรคlligen und/oder psychiatrisch gestรถrten Jugendlichen und Kindern einer integrativen Kindertagesstรคtte mit dem Schwerpunkt der sozial-emotionalen Fรถrderung.
รhnlich eingesetzt werden aber auch Nicht-Vertebraten, wie beispielsweise Schnecken (Achatschnecken oder auch heimische Weinbergschnecken) oder Insekten wir die Stabschrecken. Auch hier ist es die „Aufgabe“ der tierischen Therapeuten, die Aufmerksamkeit ihrer kleinen oder groรen Patient*innen zu fesseln, ihnen durch die Faszination am Tier merklich Stress zu nehmen und sie in der Folge dadurch auch zu รถffnen fรผr Therapieansรคtze durch Menschen — oder aber auch einfach nur durch die beruhigung dazu zu bringen, mehr bei sich zu sein und besser (in der Schule) mitarbeiten zu kรถnnen, wie es hier รผber den Einsatz von Stabheuschrecken in einem Klassenraum beschrieben wird:
Alleine die Beobachtung der dรผnnen und doch starken Insekten bringt viele Schรผlerinnen und Schรผler dazu sich zu entspannen. In Arbeitsphasen wird ihnen immer wieder angeboten, ihre Aufgaben an dem โStabiplatzโ zu bearbeiten, der deswegen sehr oft besetzt ist.
https://tierische-glueckswege.de/insekten/
Unterm Strich zeigt sich: Selbst Tiere, denen es die wenigsten Menschen zutrauen wรผrden, kรถnnen einen ungeahnt positiven Einfluss auf uns Menschen ausรผben. Ein Grund mehr, ihnen allen den nรถtigen Respekt zukommen zu lassen und auch unsererseits ihre Bedรผrfnisse zu achten und schรผtzen.
Kopfbild: eigene Komposition, Ausgangsbilder:
Freudsofa: ROBERT HUFFSTUTTER via Wikimedia CC BY-SA 2.0, Doktorfisch: luetho via Pixabay


